Die ältere Geschichtsschreibung hat die Verpfändung von Herrschaftsrechten meist als für die fürstlichen Pfandgeber äußerst nachteilig beurteilt: Die Kommerzialisierung von Ämtern und Herrschaftsrechten sei als Schwächezeichen und ultima ratio hochverschuldeter Landesfürsten zu bewerten, die nicht nur wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von kapitalkräftigen Gläubigern, sondern bisweilen sogar die vollständige Entfremdung von Herrschaftsrechten zu Folgen gehabt hätte. Die Gefahr der Herrschaftsmediatisierung war durchaus real, wie konfliktreiche Auslösungs- und Rückgewinnungsversuche durch die Pfandgeber bezeugen. Städte, Märkte und Gerichte lösten sich in einigen Fällen selbst aus, um die Pfandherrschaft abzustreifen. In diesen Fällen ist häufig von außerordentlichen Belastungen durch die Pfandherren die Rede.
Jüngere Forschungen haben eine Neubewertung in Gang gesetzt und dem Pfandschaftswesen herrschaftsintegrierende Effekte zugeschrieben. Aus finanzieller Sicht hätte die Verpfändung dem Fürsten durchaus Vorteile gebracht, weil es sich dabei – in Ermangelung eines ausreichend leistungsfähigen Kreditmarktes – um die beste verfügbare Möglichkeit zur Geldbeschaffung gehandelt habe. Auch Überlegungen zur Kreditoptimierung durch Umschuldung sind – etwa von Kaiser Friedrich III. – überliefert. Zudem seien Pfandschaften als bewegliches Kapital planmäßig für politische Verhandlungen, zur Belohnung von Parteigängern und zur Bindung des Adels an den Fürsten eingesetzt worden.
Die Gefahr der Entfremdung von Herrschaftsansprüchen ist eng mit der rechtlichen Ausgestaltung des Pfandverhältnisses und mit der praktischen Umsetzung der Auslösung verbunden. Herrschaftsintensivierende und –stabilisierende Funktionen hängen mit der Person des Pfandnehmers sowie der wechselseitigen Abhängigkeit von Pfandgeber und –nehmer zusammen. Die ökonomische Sinnhaftigkeit lässt sich untersuchen, indem nach den Gründen für die Ausgabe der Pfandschaften sowie nach der Verwendung des damit lukrierten Geldes gefragt wird.
Diese und weitere Aspekte sollen im Rahmen eines zweitägigen Workshops an konkreten Beispielen thematisiert und diskutiert werden. Ziel der Veranstaltung ist es, das für die mittelalterliche Finanzierung von Herrschaft zentrale Instrument der Pfandschaft zu untersuchen. Sowohl die ältere, sehr negative als auch die jüngere, positiv dominierte Bewertung der Verpfändung von Herrschaftsrechten sollen auf dem Prüfstand stehen.
Der Workshop wird von Lienhard Thaler (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte) organisiert. Das Programm finden Sie hier.
Internationaler Workshop: Fürst und Pfand. Die Verpfändung von Herrschaftsrechten als Finanzierungs- und Herrschaftsinstrument im Mittelalter
07.11.2019