Die im Ersten Weltkrieg im Kaiserreich kulminierenden „Ideen von 1914“ – die Behauptung eines Angriffs der „westlichen Zivilisation“ auf die „deutsche Kultur“ – erschienen mit der ab etwa 1950 immer breiter akzeptierten Westbindung der Bundesrepublik zunehmend als kuriose Randerscheinung. Die schon lange vor 1914 einsetzenden Polemiken um die politische, kulturelle und nicht zuletzt geographische Verortung Deutschlands wurden aber auch in den Ländern wahrgenommen, die sich ähnlich wie Deutschland ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts nachholend modernisierten, um in der globalen Konkurrenz der Imperien zu bestehen: in Japan sowie im späten Chinesischen und späten Osmanischen Reich. Aus deren Sicht musste sich auch Deutschland immer gegen „den Westen“ wehren, der es durch Eroberung mit universalen Werten beglücken wollten (so Napoleons Frankreich) oder in die freihändlerische Wirtschaftsordnung des Manchesterkapitalismus zwingen (so England). Es war demnach kein Teil Westeuropas, sondern eher der westlichste Teil Eurasiens und ein potentieller Bündnispartner, dem man zudem keine kolonialen Ambitionen nachsagte. Der Sieg über Frankreich und die Reichsgründung 1871 machten das prussifizierte Deutschland endgültig zum Vorbild. Die ab 1871 intensivierten Kooperationen und Ideologietransfers aus Deutschland und zwischen diesen östlicheren Regionen sind jüngeren Untersuchen zufolge bis heute prägend für Autoritarismus und Exportorientierung, etwa in Singapur und in der V.R. China.
Viele der damals formulierten geopolitischen Konzepte kursieren heute in der antiwestlichen Echokammer, die von Ideologen wie Alexander Dugin – ein Stichwortgeber Wladimir Putins – gespeist wird und aus der sich rechts- und linkspopulistische Parteien wie die AfD oder SYRIZA und Kleptokraten wie Victor Orban oder Recep Tayyip Erdoğan bedienen.
Link für die Teilnahme via Zoom: https://univienna.zoom.us/j/67936569525?pwd=dXQrT0VtUzRoZ1RrbUFQbXVYSWZuZz09#success
Die nächsten Termine:
WU Wien: 22. März 2022:
Carla Salvo (Sapienza Università di Roma): Does trade liberalization boost innovation? Evidence from French industrial sectors in the 19th century
Moderation: Markus Lampe
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, WU Wien, Raum D4.3.106 und über Zoom: https://wu-ac-at.zoom.us/j/94993900320?pwd=Z1d6ZWtUQllhK1Jkb05rT0Vxckxldz09 (Meeting-ID: 949 9390 0320, Kenncode: 123159)
29. März 2022:
Buchpräsentation: Dirk Hoerder (Wien): Menschen und Welten in Bewegung. Der Ostalpen- und Donauraum von den Anfängen bis zum 16. Jahrhundert
Moderation: Annemarie Steidl
In Kooperation mit dem VSIG
Seminarraum Geschichte 1, Hauptgebäude Universität Wien, 1. Stock, Stiege 10
Gesamtprogramm WISO Abendkolloquium Sommersemester 2022 (pdf)