Hubert Christian Ehalt (1949-2023)

03.01.2024

Hubert Christian Ehalt, von 1979 bis 1981 als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte tätig und nach seiner Habilitation 1999 (Venia für Sozialgeschichte der Neuzeit) langjähriger Dozent an der Universität Wien, ist am 27. Dezember 2023 im 75. Lebensjahr verstorben.

Ein Nachruf von Annemarie Steidl und Margareth Lanzinger.

Das Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte trauert um einen Kollegen, Förderer und Freund. Christian Ehalt, der von 1979 bis 1981 als wissenschaftlicher Assistent am Institut tätig war, ist am 27. Dezember 2023 im 75. Lebensjahr verstorben. Er war langjähriger Dozent an der Universität Wien, aber vor allem in seiner Tätigkeit als Wissenschaftsreferent der Stadt Wien ein unermüdlicher Förderer der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der viele Kolleg:innen in ihrer wissenschaftlichen Karriere unterstützt hat.

Hubert Christian Ehalt ist 1949 in Wien geboren und hat nach der Absolvierung der Matura am Realgymnasium in der Albertgasse ab 1969 an der Universität Wien mehrere Studien belegt: Philosophie, Psychologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Kunstgeschichte und Soziologie; sowie Malerei an der Akademie der bildenden Künste. Diese interdisziplinäre Herangehensweise hat ihn sein Leben lang begleitet. 1978 hat er sein Studium mit einer Dissertation in der Geschichtswissenschaft zu „Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft: dargestellt vor allem am Beispiel des Wiener Hofes unter Leopold I., Josef I. und Karl VI.“, betreut von Michael Mitterauer, abgeschlossen. Auch mit seiner 1999 eingereichten Habilitationsschrift blieb er der Geschichtswissenschaft treu und erhielt im Jahr 2000 eine Venia für Sozialgeschichte der Neuzeit. Ab 1979 wirkte er als Lehrbeauftragter, später als Dozent und Gastprofessor unter anderem an den Universitäten Wien (seit 2003 mit dem Berufstitel „Universitätsprofessor“), Linz und Innsbruck, an der Universität für angewandte Kunst (seit 2008 als Honorarprofessor) und an der Akademie der bildenden Künste. Seit 2009 war Ehalt auch Honorarprofessor an der Technischen Universität Wien. Zu seinen bevorzugten Forschungsfeldern zählten die Sozial-, Mentalitäts- und Alltagsgeschichte Wiens, die Wissens- und Wissenschaftsgeschichte Wiens, Studien zu Strukturen und Ausdrucksformen der höfisch-aristokratischen Gesellschaft, die Gesellschaftsgeschichte der bildenden Künste, die Geschichte der Schule sowie Studien zum Verhältnis von Natur und Kultur.

Aufgrund seiner langjährigen und sehr erfolgreichen Tätigkeit in der Volks- und Erwachsenenbildung wurde Christian Ehalt mit dem Preis der Arbeiterkammer, dem Theodor-Körner-Preis und dem Förderungspreis der Stadt Wien für Wissenschaft und Volksbildung ausgezeichnet. Ausgehend von diesem Engagement in der Erwachsenenbildung konnte er 1984 als Wissenschaftsreferent der Stadt Wien gewonnen werden, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2016 tätig war. In dieser Funktion als Wissenschaftsreferent war er für die Förderung der Wissens- und Wissenschaftsstadt Wien, für den Wissenstransfer zwischen der Stadt Wien und den in Wien situierten Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsgesellschaften sowie für die Vernetzung und Verbindung wissenschaftlicher und urbaner Öffentlichkeit verantwortlich. In der Öffentlichkeit war Christian Ehalt seit 1987 als Initiator und Veranstalter der Reihe „Wiener Vorlesungen“ bekannt, die über seine Pensionierung hinaus bis zum Sommer 2017 mehr als 1.500 mal stattfand und heute mit großem Erfolg weiterläuft, begleitet von einer Buchreihe, in der eine Auswahl der Vorträge veröffentlicht wurde bzw. wird. Im Dezember 2016 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft der Universität Wien verliehen; außerdem war er Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien und Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 


Dem Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte war Christian Ehalt gleichermaßen als Historiker wie als Wissenschaftsförderer verbunden. Eine inhaltliche Schnittstelle bot das von ihm gegründete außeruniversitäre Institut für Historische Anthropologie, das sich über drei großen Bereiche definiert hat: „die Mikroanalyse, den interkulturellen Vergleich, die Diskussion über die conditio humana zwischen Natur und Kultur“. Unter der Vielzahl von Themen, die damit adressiert waren, firmieren die Geschichte von Familie, Partnerschaft, Eltern-Kind-Beziehungen und Geschlechterverhältnissen wie auch die Perspektive auf Lebensläufe, Alter oder auf Rituale. Das Institut war ein Ort der produktiven Begegnung – so Ende der 1990er Jahre zwischen dem Althistoriker Jochen Martin von der Universität Freiburg, der dort einen neuen Studiengang „Historische Anthropologie“ begründet hatte, und den Teilnehmer:innen des Wiener und Grazer Graduiertenkollegs „Historische Anthropologie“ unter der Leitung von Michael Mitterauer.

Die zahlreichen geteilten Interessen schufen die Grundlage dafür, dass Christian Ehalt auch als maßgeblicher und unermüdlicher Förderer des „Michael-Mitterauer-Preises für Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte in Wien“ fungierte, der 2002 erstmals aus Anlass des 65. Geburtstags von Michael Mitterauer vergeben wurde. Ohne die finanzielle Förderung durch die Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), der Christian Ehalt vorstand, hätte diese Initiative nicht umgesetzt werden können. Bis 2016 organisierte er, zunächst gemeinsam mit Markus Cerman, später mit Annemarie Steidl, die feierliche Preisvergabe an junge Historikerinnen und Historiker im Wiener Rathaus und war auch in der Jury des Preises tätig.

Hubert Christian Ehalt hat Interdisziplinarität gelebt und war auf vielen Ebenen der Wissenschaft und Kunst tätig. Dem WISO wird er als überaus eloquenter Gesprächspartner, langjähriger Dozent und Wissenschaftsförderer für immer in Erinnerung bleiben.

 

Annemarie Steidl und Margareth Lanzinger

 

 

Parte Christian Ehalt (pdf)

Traueranzeige des Instituts für historische Anthropologie (pdf)

"Historiker Hubert Christian Ehalt gestorben" (wien.orf.at, 4.1.2024)

CV Christian Ehalt (pdf)

Eintrag in Wien Geschichte Wiki

(c) Rudi Handl