Titel der Dissertation: "Münzreichtum und leere Taschen. Die Finanzen der Grafen von Tirol im europäischen Kontext (1290-1439)"
Prüfer*innen:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Ertl (FU Berlin)
Univ.-Prof. Dr. Christian Lackner (Universität Wien)
ao. Univ.-Prof. Dr. Julia Hörmann-Thurn und Taxis (Universität Innsbruck)
Abstract:
Ökonomische Rahmenbedingungen und Zusammenhänge bestimmten Handlungsspielräume der Herrschenden und prägten damit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft des mittelalterlichen Europa wesentlich. Obwohl finanzielle Faktoren häufig zur Erklärung von politischen Entscheidungen und Entwicklungen herangezogen werden, existieren kaum eingehendere Studien zur Funktionsweise mittelalterlicher herrschaftlicher Finanzwesen. In erster Linie fehlen belastbare Daten, vergleichende Untersuchungen und Fallstudien zu Territorialfürstentümern des Heiligen Römischen Reiches. Die vorliegende Arbeit geht auf diese Desiderata ein, indem Wirtschaftspolitik, Finanzverwaltung, Einnahmen, Ausgaben und Kreditwesen der Grafen von Tirol vom späten 13. Jahrhundert bis ins frühe 15. Jahrhundert mittels qualitativer und quantitativer Methoden analysiert und durch Vergleiche mit anderen spätmittelalterlichen Fürstenherrschaften, etwa England, Frankreich, Flandern oder Österreich, in den europäischen Kontext eingeordnet werden. Ein theoretischer Anknüpfungspunkt für die systematische Untersuchung der Fürstenfinanzen ist das 1999 publizierte und von der Mediävistik bislang kaum beachtete Bonney-Ormrod-Modell, mit dem sich vier Idealtypen historischer Finanzierungssysteme anhand von 18 Kriterien beschreiben und unterscheiden lassen. Quellengrundlage der Untersuchung ist vor allem Verwaltungsschriftgut, etwa Urkunden, Kanzleibücher, Steuerlisten, Urbare, Rechnungen und Rechnungsbücher. Die Tiroler Raitbücher, die 1288 einsetzen und bis in die 1430er Jahre als Rechnungsregister geführt wurden, bilden die wichtigste Basis für die quantitative und qualitative Analyse.
Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage nach der Funktionsweise spätmittelalterlicher fürstlicher Finanzwesen: Mit welchen Maßnahmen versuchten Fürsten wie die Grafen von Tirol, wirtschaftliche Entwicklungen und Verhältnisse zu beeinflussen und welche Ziele verfolgten sie damit? Wie arbeitete die Finanzverwaltung und von welchen Personengruppen wurde sie getragen? Welche Einnahmequellen standen spätmittelalterlichen Monarchen zur Verfügung? Welche Rolle spielten Steuern gegenüber grundherrlichen Einnahmen, Zöllen und anderen Einkünften? Wie hoch waren die Ausgaben der Fürstenherrschaft? Was kosteten Krieg und Hofhaltung? Welche Rolle spielten Schulden und Kredite? Am Fallbeispiel der Grafen von Tirol wird gezeigt, dass spätmittelalterliche Fürsten aktiv in die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Herrschaftsbereich eingriffen, dass die Finanzverwaltung vor dem 15. Jahrhundert selten von der Kammer und die fürstlichen Einkünfte kaum von Steuern dominiert waren sowie dass hohe Kosten mittels komplexer Kreditgeschäfte gedeckt werden konnten.
Dissertation Volltext (u:theses)
Seminarraum 9 (Tiefparterre, Hof 1): siehe Lageplan Hauptgebäude (pdf), S. 2
(24.8.2023)