WISO-Morgenkolloquium 5. 6. 2019

15.04.2019

Anna Marie Strommenger Von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem. ‚Heimat‘ in der sozialistischen Arbeiterbewegung des Wilhelminismus und der Weimarer Republik

Das Promotionsprojekt fragt nach der Bedeutung und Ausprägung von Heimatbezügen und Heimatentwürfen innerhalb der sozialistischen Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, wobei die Zeit des Wilhelminismus immer wieder kontrastierend Berücksichtigung findet. Wurden sozialistische Heimatvorstellungen bislang kaum in die Forschung zu historischen Heimatkonjunkturen einbezogen, lassen sich durch eine solche Herangehensweise zwei Fragehorizonte behandeln: 1. Im Anschluss an die nahezu konsensual vertretenen Forschungsthese, moderne Heimatkonjunkturen seien als Reaktionsphänomen auf die Auflösung vormals unhinterfragt bleibender Nahverhältnisse zu verstehen, fragt das Projekt erstens nach der Spezifik sozialistischer Heimatvorstellungen. Deren Analyse besitzt das Potential, einen neuen geschichtswissenschaftlichen Zugriff auf die sozialistische Rezeption und Bewältigung der als krisenhaft und kontingent erfahrenen Gesellschaften der Weimarer Republik und des Wilhelminismus zu gewinnen. 2. Darüber hinaus erweitert das Projekt die bisherige Forschung zu Heimatkonjunkturen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, die ‚Heimat‘ als vorwiegend bürgerliche, wenn nicht gar konservative Begrifflichkeit bestimmt hat. Eine verschränkte Analyse sozialistischer und bürgerlicher Heimatvorstellungen verspricht daher zweitens, zu einer differenzierteren Einschätzung der im Untersuchungszeitraum virulenten gesellschaftlichen Verhandlung von ‚Heimat‘ beizutragen.

Um beiden Erkenntnisinteressen gerecht zu werden, bildet ein analytisch weit gefasstes Heimatverständnis den Ausgangspunkt – nicht zuletzt, da die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von ‚Heimat‘ im Untersuchungszeitraum aufgrund der kaum vorhandenen Forschungsarbeiten zur Thematik allererst Resultat des vorliegenden Projekts ist. Dieses weite Verständnis erlaubt es, sowohl die politische Lancierung sozialistischer Alternativkonzepte als auch die oftmals unreflektiert bleibende sozialistische Übernahme bürgerlich konnotierter Alltagsvorstellungen und konservativ konnotierter politischer Vorstellungen von ‚Heimat‘ in die Analyse einzubeziehen. Darüber hinaus lassen sich mit einer solchen Herangehensweise diskursive Verhandlungen von ‚Heimat‘, die etwa in der theoretischen Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Heimatbewegung zu finden sind, mit zahlreichen auf ‚Heimat‘ bezogenen Praktiken und Handlungen, wie beispielsweise der fotografischen Produktion und Ausstellung von ‚Heimatbildern‘, verknüpfen. Durch dieses Vorgehen kann gezeigt werden, dass die Auseinandersetzung mit ‚Heimat‘ gesellschaftlich deutlich verbreiteter war und die Begrifflichkeit inhaltlich vieldeutiger verhandelt wurde als bislang von der Geschichtswissenschaft angenommen.

Kommentar: Oliver Kühschelm

Zeit: Mittwoch, 5.06.2019, 9:00- 10:00 Uhr
Ort: Seminarraum WISO 1, Hauptgebäude, Stiege 6, 2. Stock, Zwischengeschoß