Eheschließung, Scheidung, Zugang zu Vermögen während und nach der Ehe: All dies war über die Jahrhunderte durch kirchliche und zivile Ordnungen strukturiert. Obwohl das 19. Jahrhundert von zunehmender Rechtsvereinheitlichung gekennzeichnet war, bestanden vor allem in größeren territorialen Zusammenhängen partikulare Rechte weiter fort. Dies konnte Handlungsoptionen eröffnen. Differente Zugehörigkeiten konnten umgekehrt heiratswillige Paare vor große Herausforderungen stellen. An den Schnittstellen zwischen verschiedenen Rechtslogiken fragen die Beiträge nach Handlungsräumen von Männern und Frauen und nach den damit verbundenen Geschlechternormen.
Heiratsvorhaben zwischen Angehörigen verschiedener Konfessionen und Religionen, Imperien und Nationen zählen zu den in den letzten Jahren verstärkt erforschten Themen am Schnittpunkt von Geschlechtergeschichte, Migrationsgeschichte, Sozialgeschichte, Rechtsgeschichte und Verwaltungsgeschichte. Für die Forschungsperspektive relevant ist, dass jede Beziehungs- und Familienform geschlechtsspezifische Implikationen hatte und dass rechtliche Rahmungen, gesellschaftliche Vorstellungen und individuelle Bedürfnisse lange nicht immer konform gingen. Das scheint in besonderem Maße auf das 19. Jahrhundert zuzutreffen, das eine überaus dynamische Gemengelage von Aufbruch, Veränderung und Beharrung aufweist sowohl in Zusammenhang mit Geschlechterkonzepten als auch mit personen-, ehe- und familienrelevanten Rechtsmaterien. Diese standen in imperialen, zwischenstaatlichen und kolonialen Kontexten zudem in einem komplexen Spannungsfeld zwischen staatlicher Souveränität, bürokratischer Umsetzung sowie Ansprüchen und Forderungen von ‚Bittsteller*innen‘, die auf ihren Vorhaben bestanden.