Projekte und Projektkooperationen
Nachkommen von NS-Verfolgten erzählen
Die Bereitschaft von Überlebenden des NS-Regimes, ihre Erfahrungen zu teilen, hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die Verbrechen der Nationalsozialist/innen aufzuarbeiten und die Erinnerung daran wachzuhalten. Mit dem Älterwerden und dem Abschied von den Zeitzeug/innen der ersten Generation gilt es neue Formen des Erinnerns und der Vermittlung von Erinnerung zu entwerfen. Erzählungen von Nachkommen von NS-Verfolgten über ihre Erfahrungen mit Flucht, Exil und Rückkehr wie auch mit Antisemitismus, Rassismus oder Antiziganismus nach 1945 können Ausgrenzungs- und Diskriminierungskontinuitäten sichtbar machen sowie zur Aufarbeitung und pädagogischen Auseinandersetzung mit den Folgen der NS-Geschichte in den post-nationalsozialistischen Gesellschaften in Deutschland und Österreich beitragen.
Dieses Pilotprojekt von ERINNERN:AT in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Tirol, der Universität Klagenfurt und der Doku Lebensgeschichten entwickelt und erprobt 2024 und 2025 Lernmöglichkeiten und Lernsettings mit Nachkommen von jüdischen NS-Verfolgten, die auch wissenschaftlich evaluiert werden. Es wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Bundeskanzleramt, der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wien und vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus gefördert.
Ausführliche Informationen auf ERINNERN:AT
Ansprechpartnerin: Julia Demmer (Email)
SoKuL – Erzählen über Sorgekulturen
"Care" – oft mit Sorge übersetzt – bezeichnet eine Praxis der Achtsamkeit und steht für eine praktizierte Grundüberzeugung, für fürsorgliche Aktivitäten und achtsame Zuwendung. In einem breiten, politischen und politikwissenschaftlichen Verständnis bezeichnet "Care" eine Politik der Sorge, an der sich Organisationen, Gemeinden oder auch die gesamte Gesellschaft orientieren können und sollen. "Sorgekulturen" sind Kulturen von sozialen Systemen, also von Familien, Teams, Organisationen oder Gemeinden, die sich um die Sorge für verletzliche Menschen bemühen. Im Zentrum steht die Förderung gesellschaftlicher und organisationaler Rahmenbedingungen, die gute Sorge lebbar machen.
Viele Schüler und Schülerinnen sowie Studierende in Pflegeausbildungen begegnen während ihrer ersten Praktika zum ersten Mal sterbenden Menschen. Nicht immer sind sie gut auf die emotionalen Auswirkungen vorbereitet, die ein Todesfall auf sie haben kann. Das Projekt will hier einen Raum eröffnen, indem sie ihre Erfahrungen erzählen und reflektieren können.
Dies soll in 12-15 intergenerationellen und interkulturellen Erzählcafés und in 8-10 qualitativen narrativen Einzelinterviews geschehen. Erzählt wird an unterschiedlichen Orten gemeinsam mit Menschen mit Demenz (Verein PROMENZ) und mit hochbetagten Menschen (CS Caritas Socialis) als Citizen Scientists. Schüler und Schülerinnen der Caritas Schule für Sozialberufe (Wien) und Studierende am FH Campus Donaustadt (Wien) werden die Erzählcafés mit vorbereiten, sich an ihnen beteiligen und sie ko-moderieren. Die Erzählcafés werden auf digitalem Tonträger aufgezeichnet und in Kooperation zwischen Forschenden und Auszubildenden ausgewertet. Auf diese Weise wird das Projekt innovatives Wissen über Erzählcafés als Forschungsmethode generieren.
Im Projekt sollen mehrere Transferprodukte entstehen: Im Unterrichtspaket "Erzählcafé" sollen alle Materialien, die zur Durchführung der Erzählcafés entwickelt werden, anonymisiert für den Unterricht und für die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Aus einzelnen Erzählungen zu Sorgekulturen am Lebensende sollen kurze, anonymisierte Geschichten als "teaching cases" entwickelt werden. Ein Kurzfilm "Sorgekulturen am Lebensende" mit Beiträgen der Schüler, Schülerinnen und der Studierenden und von Citizen Scientists soll im dritten Projektjahr aufgenommen werden und für den Unterricht zur Verfügung stehen. Für die wissenschaftliche Verbreitung der Ergebnisse sollen im Projekt mehrere wissenschaftliche Publikationen und eine kumulative Dissertation entstehen. Das Citizen Science-Forschungsprojekt wird vom Institut für Pflegewissenschaft der Universität Wien geleitet und in Kooperation mit dem Verein Sorgenetz durchgeführt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Rahmen der Programmschiene OeAD – Sparkling Science 2.0 gefördert.
Laufzeit: Oktober 2022 bis September 2025
Kurzbeschreibung (PDF)
Bericht über das Projekt (Societal Impact Plattform, Fakultät für Sozialwissenschaften)
Film über die Erzählcafés (auf u:stream)
Ansprechpersonen am Institut für Pflegewissenschaft für Fragen zum Projekt:
Assoz.-Prof.in Dr.in Katharina Heimerl (Email)
Evelyn Hutter, MA (Email)
Was bewirken Erzählcafés?
Gesprächskreise und Erzählcafés laden zum Erzählen über Biografisches in einer Gruppe von Menschen ein. Aber was bewirken diese und andere Formate? Vor allem: Wie nehmen Teilnehmende dieses Erzählen wahr? In einer gemeinsamen Pilotstudie des Netzwerk Erzählcafé Schweiz, der Fachhochschule Nordwestschweiz (Soziale Arbeit), des Verein Sorgenetz und der Dokumentation lebensgeschichtliche Aufzeichnungen wurde mit Unterstützung von Migros Kulturprozent erstmals erhoben, wie Erzählende und Zuhörende selbst diese Settings erleben. Dahingehend luden wir Teilnehmer/innen von Erzähl- und Gesprächsrunden mit einem Schreibaufruf dazu ein, über ihre Erfahrungen mit dem lebensgeschichtlichen Erzählen und Zuhören in Gruppen zu berichten. Hier geht’s zum Schreibaufruf.
Projektlaufzeit: Oktober 2020 bis Juni 2021
Projektteam Schreibaufruf: Edith Auer (Doku Lebensgeschichten), Gert Dressel (Doku Lebensgeschichten & Verein Sorgenetz), Günter Müller (Doku Lebensgeschichten), Daniela Rothe (Universität Essen), Rhea Braunwalder (Netzwerk Erzählcafé Schweiz)
Kontakt: Gert Dressel (Email)
Who cares? Szenarien für eine zukunftsweisende Sorgekultur
Im Rahmen eines vom Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft geförderten Sparkling-Science-Projekts und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Palliative Care und OrganisationsEthik an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF Wien) der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt wurde im Herbst 2015 ein Schreibaufruf zum Thema "Who cares? – Geschichten vom Sorgen, Pflegen und Betreuen" gestartet und über verschiedene Medien verbreitet.
Die so gesammelten Pflege- und Betreuungsgeschichten geben Einblicke in Lebensbereiche, über die sonst oft ein Mantel des Schweigens gebreitet wird. Menschen, die sich um nahestehende Personen kümmern oder in der Vergangenheit Angehörige gepflegt haben, sind dem Aufruf ebenso gefolgt wie eine Anzahl von Personen, die beruflich im Bereich der sozialen Betreuung und Pflege tätig sind. Eine dritte Gruppe von Beiträgen stammt von Menschen, die über ihre eigene Lebenssituation im Alter erzählen, in der sie einmal mehr, einmal weniger auf die Betreuung durch andere angewiesen sind oder auch ihre Erwartungen an die soziale Umgebung formulieren.
Die vielfältigen Anforderungen, die Pflegesituationen im familiären Bereich stellen, wurden in den gesammelten Beiträgen ebenso eindringlich beschrieben wie so manche Auseinandersetzung mit Institutionen, die Krankenpflege und Altenbetreuung in zeitgemäßer Form leisten (sollen).
Im Zuge des ebenfalls vom österreichischen Wissenschaftsministerium geförderten Top-Citizen-Science-Fortsetzungsprojekts "Care & Heat" (Sorgearbeit und Hitze) wurde ein weiterer Schreibaufruf lanciert, um entsprechendes Erfahrungswissen älterer Menschen zu sichern.
1945 erinnern
Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs sind unübersehbar, das Ausmaß der Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes wird immer deutlicher sichtbar. Alle, die überlebt haben, bekommen noch lange die Folgen zu spüren: Verluste, Zerstörungen, Trennungen. Eine Zeit der raschen Ortswechsel und der flüchtigen Begegnungen mit fremden Menschen – Erfahrungen von ungeahnter Solidarität, aber auch von Missgunst, Rücksichtslosigkeit und Brutalität. Eine Zeit des Ausnahmezustands, die fast für jeden Menschen Situationen und Erlebnisse mit sich brachte, die nach allgemeinem Verständnis eigentlich "unbeschreiblich" sind ...
Im Zuge des Jubiläumsjahres 2005 rief dieses Projekt zur Einsendung von Erinnerungen an das Jahr 1945 auf, veröffentlichte bereits gesammelte Erinnerungstexte in einer 100-seitigen Broschüre und organisierte Seminare Veranstaltungen.
Das Projekt wurde von der "Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen" in Zusammenarbeit mit Radio Ö1, dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Linz, der Abteilung Kultur- und Wissenschaftsanalyse der Wiener IFF (Universität Klagenfurt) sowie dem Österreichischen Institut für Erwachsenenbildung in St. Pölten durchgeführt.