Lese- und Diskussionsgruppe "Abgaben aller Art"
(c) Wiener Stadt- und Landesarchiv
Lese- und Diskussionsgruppe "Abgaben aller Art"
Die „Abgabengruppe“, eine Untergruppe der Forscher*innengruppe „Figurationen der Ungleichheit“, hat sich im Frühjahr 2024 am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte konstituiert und trifft sich während des Semesters ca. ein Mal im Monat, um neue Zugänge und Forschungsergebnisse zur Geschichte von Steuern, Zöllen und Mauten sowie anderer Abgaben vom Mittelalter zur Gegenwart vorzustellen und zu diskutieren.
Informationen über Steuern und andere Abgaben (etwa Grundzinse, Zölle oder Mauten) zählen zu den historisch am umfangreichsten erhaltenen Wirtschaftsdaten. Da die Höhe von Steuern und grundherrlichen Abgaben häufig an Grundbesitz, Vermögen oder Einkommen gekoppelt war, lassen sich aus den überlieferten Beträgen auch Rückschlüsse auf den sozialen Status der besteuerten Personen und Haushalte ziehen, zu denen andere Quellen fehlen. Zudem lässt sich über Abgaben Ungleichheit messen: Den Berechnungen des GINI-Koeffizienten, der die Verteilung von Vermögen ausweist, liegen für vorindustrielle und vorstatistische Zeiten in der Regel Steuerregister zugrunde. Steuer- und Abgabenverzeichnisse sind außerdem wichtige Quellen für die Historische Demographie und für die Geschichte von Besitzstrukturen; Zollregister geben Aufschluss über Transport, Verkehr und Handelstätigkeit. Protokollierte Steuerverhandlungen – etwa zwischen Fürsten und Landständen – zeugen von Möglichkeiten und Grenzen politischer Partizipation, Traktate zur Steuergerechtigkeit von zeitgenössischen Vorstellungen des Verhältnisses zwischen Individuum und (staatlicher) Gemeinschaft. Und Widerstand – bewaffneter oder in Form von Steuervermeidung oder Steuerhinterziehung – verweist nicht nur auf Gerechtigkeitsvorstellungen der Steuerpflichtigen, sondern auch auf deren Möglichkeiten zur Organisation und Durchsetzung ihrer Interessen gegen den Willen Herrschender.
„Abgaben aller Art“ und die in diesem Zusammenhang produzierten historischen Aufzeichnungen sind demnach grundlegend sowohl für die Ungleichheitsforschung als auch für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Für das Programm verantwortlich: Christof Jeggle, Margareth Lanzinger, Lienhard Thaler, Kirsten Wandschneider
Mitglieder: Michael Adelsberger, Florian Andretsch, Matthias Donabaum, Federico D’Onofrio, Senta Herkle, Christof Jeggle, Clemens Jobst, Oliver Kühschelm, Erich Landsteiner, Margareth Lanzinger, Gabriele Marcon, Tim Neu, Juliane Schiel, Anka Steffen, Lienhard Thaler, Selina Thomalla, Sigrid Wadauer und Kirsten Wandschneider
(c) Wiener Stadt- und Landesarchiv
Themenspektrum:
- demographische und wirtschaftliche Situationen und Veränderungen
- soziale und ökonomische Ungleichheit
- Gleichheits- und Gerechtigkeitsvorstellungen; „Gemeinwohl“ und Steuermoral
- Steuern und politische Partizipation; Steuern als politisches Druckmittel
- Staatsbildungsprozesse und state capacity, Institutionen und Verwaltung